Die Florenelemente der Ägäischen Inselwelt

Yvonne Scheffler

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Einleitung / Definition Ägäis

Mit Ägäis wird das Ägäische Meer bezeichnet. Es handelt sich bei diesem um ein nördliches Nebenmeer des Mittelmeeres, das von Griechenland und der Türkei begrenzt wird. Bei allen Inseln des Ägäischen Meeres handelt es sich um Festlandreste. Die südliche Begrenzung der Ägäis bilden der Peleponnes und die Inseln Kythira, Kreta, Kasos, Karpathos, Rhodos und Kap Aludo. In diesem Bereich befindet sich eine unterseeische Schwelle.
Das Ägäische Meer kann ein einen nördlichen und in einen südlichen Teil gegliedert werden. Die Kykladen bilden hier die Abgrenzung der beiden Beckenbereiche. Bei den Kykladen handelt es sich um ein Vulkanband, das an einer Subduktionszone liegt, an der sich die afrikanische unter die ägäische Platte schiebt. Der tiefere südlichere Beckenbereich reicht bis auf 2962 m hinab, der flachere nördliche auf 1549m.
Insgesamt wird die Ägäis zum Holarkischen Florenreich gerechnet. Sie gehört pflanzengeographisch zum Mittelmeergebiet und bildet im östlichen Teil des Mittelmeerraumes das Zentrum. Ganz allgemein kann zur Flora der Ägäis gesagt werden, daß diese sehr vielfältig und nur schwer überschaubar ist. Es handelt sich nicht um einen homogenen Raum, sondern es gibt viele ökologisch unterschiedliche Standorte, die aufgrund unterschiedlicher ökologischer Bedingungen (Klima, Gestein, Boden, Morphologie ...) entstanden sind. Besonders mikroklimatisch unterscheiden sich die einzelnen Standorte stark.
Der Endemismus spielt bei der Artenvielfalt de Ägäis ebenfalls eine bedeutende Rolle.

Florengeschichtlicher Überblick über die Vegetationsverhältnisse der Ägäis

Definition "Florenelement"

Unter Florenelement verstehen WALTER und STRAKA (1970) ganz allgemein eine nach bestimmten Gesichtspunkten zusammengefasste Artengruppe der Flora.

Allgemeines zur Florengeschichte der Ägäis

Während der letzten 15 Jahre wurde viel in der Paläobotanik, Paläontologie, Paläogeographie und Paläoklimatologie geforscht. Aus den Erkenntnissen dieser Forschungen ist eine ungefähre Rekonstruktion der Florengeschichte möglich, obwohl es viele Unsicherheitsfaktoren gibt, da z.B. durch die Vereisungen viele Arten gänzlich aus dem ägäischen Raum verschwunde nsind und über deren vorherige Existenz fast nur spekuliert werden kann, da durch die Pollenanalyse nicht alle Arten erfaßt und sicher voneinander abgegrenzt werden können.

Paläozoikum

Zur Zeit des Paläozoikums existierte ein einziger Superkontinent (Pangäa), der beim Übergang vom Paläozoikum zum Mesozoikum auseinandergebrochen ist.
Vor dem Auseinanderbrechen von Pangäa war es daher möglich, daß sich Pflanzen über den ganzen Kontinent verbreiteten.
Heutige Überreste dieser Flora sind die europäischen Repräsentanten der pantropisch verbreiteten Familien Gesneriaceae, Datiscaceae, Buxaceae, Compositae sowie die Gattungen Borderea und Dioscorea, die mit Taxa in Südamerika verwandt sind. Der Ursprung dieser Gattungen liegt unzweifelhaft in Afrika.
Gattungen, die ebenfalls in dieses Florenelement eingeordnet werden sollten sind: Ilex (Aquifoliaceae), Aristolochia (Aristolochiaceae), Coriaria (Coriariaceae), Ficus (Moraceae), Myrthus (Myrthaceae), Styrax (Styracaceae), Celtis (Ulmaceae) und Vitis (Vitaceae).
Ebenfalls in diesem Zeitraum erreichten mehr oder weniger xerophile Gattungen das Mittelmeergebiet. Es handelt sich hier um Maytenus (Celastraceae), Acacia und Prosopis (Mimosiodeae), Zyziphus (Rhamnaceae), Osyris (Santalaceae) und Tamarix (Tamaricaceae).

Mesozoikum

Nach dem Auseinanderbrechen von Pangäa entstanden die Kontinente Laurasia (Nordamerika und Eurasien) und Gondwana (Südamerika, Afrika, Antarktis und Australien), von dem sich die Antarktis und Australien sehr früh abspalteten.
Eine bestimmte Gruppe von Pflanzen ist heute gleichzeitig im Kalifornischen Becken und im Mittelmeerraum präsent. Daraus kann man schließen, daß diese nach dem Auseinanderbrechen von Pangäa aber vor der Trennung von Nordamerika und Eurasien über Laurasia verbreitet war, Dazu gehören Boerhavia, Cleome, Commicarpus, Fagonia, Lycium, Pistacia, Rhus, Smilax, Talinum, Trianthema und Vitex, deren Ursprung ebenfalls in Afrika liegt.
Das mircothermische Element des Mittelmeerraumes ist präsent ab montanen oder feuchten Standorten. An die Temperatur stellt es kaum Ansprüche. Der Ursprung liegt vor dem Aufbrechen von Laurasia, Zu diesem Element gehören Acer, Betula, Corylus, Fagus, Fraxinus, Pinus (cf. sylvestris), Quercus p.p., Tilia und Ulmus.

Känozoikum

Im Känozoikum ist die Landverbindung zwischen Nordamerika und Eurasien aufgebrochen und der Nordatlantik entstanden.

Tertiär

Es gibt eine Reihe von Gattungen, die afrikanischen Ursprungs sind und aufgrund der Trennung von Nordamerika und Eurasien den nordamerikanischen Kontinent nicht mehr erreichen konnten, aber im gesamten Mittelmeerraum verbreitet waren. Zu diesen Gattungen zählen Asparagus, Capparis, Ceratonia, Chamaerops, Jasminum, Olea, Nerium und Phillyrea.
Während des Tertiärs verbreiteten sich nicht nur tropische Arten, sondern auch solche mit einem Ursprung im mediterranen Raum. Die Entwicklung dieses Florenelementes wurde durch Mikroplatten oder kontinentale Bereiche begünstigt, die während des Tertiärs eine relativ stabile Lage im Mittelmeerraum hatten.
Gattungen wie Arbutus, Berberis, Helianthemum, Lavatera, Salvia und Arten der Gattungen Cupressus, Pinus, Juniperus und die skleromorphen Eichen sind dafür Beispiele.
Sie sind ebenfalls in den mediterranen Zonen von Nordamerika heute vorhanden, so daß davon auszugehen ist, daß ihre Verbreitung vor der Entstehung des Atlantiks anzusetzen ist. Unsicher ist, wie alt dieses Florenelement ist, da die Existenz eines mediterranen Klimas vor dem Messinian nicht geklärt ist.
Ende des Miozäns wurde das Klima arider so daß eine Anzahl xeromorpher Pflanzen aus den Wüsten Afrikas bzw. deren Randbereichen in den Mittelmeerraum gelangen konnten. Dies sind u.a. Acacia gummifera, Argania spinosa, Enneapogon, Gaillonia, Oropetium, Periploca, Tribulus, Trichodesma und Zygophyllum.
Auch erreichten solche tropschen Taxa aus Afrika den Mittelmeerraum, die keine Tendenz zum Endemismus aufweisen. QUEZEL und MARTINEZ (1985) gehen davon aus, daß diese zu ihrer Migration die humiden Phasen des Quartärs ausnutzten. Dazu gehören Fimbristylis, Fuirena, Oldenlandia, Laurenbergia und zahlreiche Gramineen (Panicum, Echinochloa, Eragrostis usw.) und auch die Acacien.
Die gesamte Migration zwischen Afrika und dem Mittelmeerraum sind nur möglich gewesen, wenn klimatische Schwankungen und eine orographische Kontinuität vorausgesetzt werden.
Auch kann davon ausgegangen werden, daß die Messinianische Krise (=Der Mittelmeerbereich wurde als geschlossenes Flachmeer gebildet, das keinen Austausch mit dem Atlantik hatte, do daß der Salzgehalt immens anstieg und es Ende des Miozäns zu einer Salinitätskrise kam.) dazu beigetragen hat, die Migration zu erleichtern.

Paare von Gattungsvertretern aus dem Mittelmeerraum und Südafrika belegen den Austausch zwischen diesen Regionen:

Echium

Echiostachys

Iris

Moraea

Thymelaea

Passerina

Mercurialis

Seideliana

Buxus

Nothobuxus

Platycanos

Disocapnos

Sarcocapnos

Cysticapnos



Im Pliozän gab es eine große Artenvielfalt. Die Gymnospermen nahmen eine dominante Rolle ein, wie durch Pollenanalysen bewiesen wurde.
Ende des Pliozäns wurden bestimmte Taxa rar (Hammamelidaceae, Juglandaceae) oder verschwanden völlig (Tyxodiaceae). Zur gleichen Zeit aber begannen die mediterranen Arten an Bedeutung innerhalb der Flora zuzunehmen. Die Veränderung der Florenzusammensetzung wird als klimatische Modifikation gedeutet, wobei die Regenmenge besonders während der wärmsten Jahreszeit abnahm. Der Anteil xeromorpher Gewächse stieg an.
Durch die alpidische Gebirgsbildung wurde die Entwicklung einer montanen Flora gefördert. Sichtbar ist dies durch die anhaltende und regelmäßige Aufspaltung bestimmter Gattungen wie Abies, Asperula, Berberis, Cedrus, Cotoneaster, Dracocephalum, Erigeron, Juniperus, Lonicera, Papaver, Quercus, Silene etc...
Das ursprüngliche Zentrum dieses Florenelementes kann nicht genau festgelegt werden. Diese präglaziale montane Flora des Mittelmeerraumes wurde durch Arten aus dem mediterranen Raum mit entweder irano-türkischem oder mitteleuropäischem Ursprung bereichert.
Bei dem irano-türkischen Florenelement handelt es sich um eine Flora östlicher Halbwüsten. begünstigt wurde diese von trockenen und kalten Klimaperioden des Tertiärs. Evtl. beeinflußte auch die Messinianische Krise die Entwicklung. Gattungen dieses Elementes, die sich von Ost nach West nach Nordamerika verbreitet haben sind: Artemisia, Astragalus, Ephedra.
Das saharisch-arabische Florenelement hat seinen Ursprung in den heißen Wüsten im Süden der mediterranen Region. Entstanden sind Gattungen dieses Florenelements nicht vor dem Übergang vom Miozän zum Pliozän. Gattungen, bei denen von solch einem Ursprung ausgegangen werden kann sind: Anabasis, Cornulaca, Hammada, Halogeton, Tragamum, Calligonum und Nitraria.
Das mesothermische Element stammt aus dem Bereich der Holoarktis. Pflanzen dieses Florenelementes benötigen mittlere bis hohe Temperaturen. Es werden zwei Subelemente unterschieden.
Das Laurasische Subelement ist in Nordamerika und Eurasien präsent. Es umfaßt z.B.: Liquidambar (Hammamelidaceae), Aesculus (Hippocastanaceae), Juglans und Pterocarya (Juglandaceae), Platanus (Platanaceae), Carpinus, Cercis, Epimedium, Euonymus, Laurocerasus, Paeonia, Ostyra, Rhododendron, Rhamnus, Staphylea, Taxus und Viburnum.
Das zweite Subelement ist fast ausschließlich in Eurasien präsent. Zu ihm gehören Cotinus, Daphne, Fontanesia, Forsythia, Paliurus, Theligonium, Trachomitum, Wulfenia, Zelkova, etc ...
Das pontische Florenelement ist an kalte kontinentale Steppen gebunden. Es stammt hauptsächlich aus Südsibirien und dem arabisch-kaspischen Bereich. Im mediterranen Bereich ist dieses Florenelement nur schwach vertreten. Beispielgattungen sind: Stipa, Dasypyrum, Eremopyron und Asperugo. Die Gattungen Seseli, Trinia, Agropyron, Festuca und Aster werden teilweise zu diesem Element gerechnet.

Quartär

Die Artenfülle des Tertiärs wurde durch die Vereisungen stark dezimiert. Ende des Pliozäns begann eine allmähliche Abkühlung.

Pleistozän

Das Klima war während der Übergangsphase zu den Vereisungen noch weitgehend feucht, so daß immer mehr laubwerfende Bäume das Bild der zuvor immergrünen Wälder prägten und sich in montanen Regionen kälteertragende Pflanzen ansiedelten.
Durch den Wechsel von Glazialen und Interglazialen (=Zeiten mit einen Klimaoptimum. in dem sich eine ähnliche Flora wie heute entwickeln konnte) kam es zu einem Oszillieren der Temperaturen während des Pleistozäns.
Es wird vermutet, daß sich die Busch- und Waldformationen, die sich während der Interglaziale entwickeln konnten, mit einer krautreichen Steppenvegetation während der Vereisungen abwechselten, wobei die genaue Zusammensetzung unbekannt ist.
Im mittleren Pleistozän verschwanden die meisten exotischen Taxa. Arten mit einem nördlichen Ursprung wanderten ein. Es kam zur Ausbildung eines arktisch-alpidischen Florenelementes. Dies ist im Mittelmeergebiet ebenfalls nur schwach ausgeprägt. Pflanzen dieses Elementes wachsen im Hochgebirge.
Die Zeit vor 40000 B.P. im östlichen Mittelmeerraum wird durch einen hohen Anteil (größer 10%) an Baumpollen charakterisiert. Unter diesen befinden sich: Quercus coccifera, Dedrus, Pistacia cf atlantica, Carpinus orientalis-ostrya, Juniperus und Olea. Daher wird davon ausgegangen, daß sich sehr offene Busch- oder Waldformationen entwickelt haben.
Im Würmglazial (16000 - 11000 B.P.) konnte sich vermutlich kein Wald ausbilden. Es wird vermutet, daß es Steppen gab, in denen u.a. Chenopodiaceen und Artemisia-Arten überwogen haben.

Holozän

Das Vegetationsbild des Mittelmeerraumes wurde von dem Menschen sehr stark überprägt. Hirten vergrößerten durch Brände ihre Weideflächen. Durch weidendes Vieh wurde der Jungwuchs der Bäume derart verbissen, daß sich die Waldbestände nicht mehr selbständig verjüngen konnten.
Die Bodenerosion wurde durch diese Faktoren soweit vorangetrieben, daß auf den erodierten Flächen kein Wald mehr entstehen konnte. Durch das Bevölkerungswachstum stieg außerdem noch der Brenn- und Bauholzbedarf an, so daß zusätzlich noch verstärkt gerodet wurde.

Zusammenfassung

Schon während des Eozäns waren Familien und Gattungen in der Mittelmeerregion präsent, die mediterrane Arten enthalten. Auch gab es eine große Anzahl tropischer Taxa, unter denen es seit dem Oligozän eine gleichbleibende Gruppe mit xeromorphem Bau gibt.
Während der Mitte das Pliozäns entstand erstmals eine wirkliche mediterrane Vegetation, vermutlich dadurch, daß es zu einer Klimamodifikation mit Sommertrockenheit kam.
Im späten Pliozän und im Pleistozän gab es während der Klimaoptima kurzfristig offene, mediterrane skleromorphe Buschformationen.
Über die Krautvegetation während der Vereisungen können nur Vermutungen angestellt werden. Dies ist ein bisher kaum erforschtes Problemfeld.
Im südöstlichen Mittelmeerraum trugen die mediterranen Baumformationen direkt dazu bei, daß sich ausgedehnte Wälder bilden konnten. Vor dem Eingriff durch den Menschen waren auch laubwerfende Eichenwälder vorherrschend. Die immergrünen Hartlaubwälder waren nur auf schlechten Böden ausgeprägt.

Literatur

BROCKHAUS-ENZYKLOPÄDIE (1986), Bd.1 A-Apt. Mannheim

GOMEZ-CAMPO, C. (ed.) (1985): Plant conservation in the Mediterranean area. Dordrecht. 269 S.

HORVAT, I., GLAVAC, V. u. ELLENBERG, H. (1974): Vegetation Südeuropas. Stuttgart. 752 S.

PONS, A. u. QUEZEL, P. (1985): The history of the flora and vegetation and past and present human disturbance in the Mediterranean region. In: GOMEZ-CAMPO, C. (ed.) (1985): S. 25-43.

PRESS, F u. SIEVER, R.: (1987): Earth. New York.

QUETZEL, P. (1985): Definition of the Mediterranean Region and the origin of its flora. In: GOMEZ-CAMPO, C. (ed.) (1985): S. 9-24.

RECHINGER, K.H. (1959): Grundzüge der Pflanzenverbreitung in der Ägäis I-III. In Vegetatio 2: S. 55-119, 239-309 u. 365-386.

STRID, A. u. PAPANICOLAOU, K. (1985): The Greek mountains. In:GOMEZ-CAMPO, C. (ed.) (1985): S. 89-111.

TIETZE, W. (ed.) (1972): Lexikon der Geographie. Bd.1, Braunschweig



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September 2002
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