Carsten Kemp
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Die Vorkommen der Dornpolsterfluren in dieser Ausprägung
(Acantholimo-Tragacantha) auf der sechstgrößten Insel ds
Mittelmeeres, Kreta, bilden nur einen relativ kleinen Teil der sich
hier am westlichen Rand ihrer Verbreitung darbietenden
Pflanzengesellschaften.
Dornpolsterfluren oder auch -heiden dieser
oder ähnlicher Artenzusammensetzung haben ihren
Verbreitungsschwerpunkt in der subalpinen (- alpinen) Stufe der
Gebirge bes. Vorderasiens, aber auch Europas, Nordafrikas und des auf
der Südheminsphäre liegenden Patagoniens. Im mediterranen
Raum treten Dornpolster vor allem im Atlas, in der Sierra Nevada, in
Süditalien, auf Sizilien, Sardinien, Kreta und in Anatolien auf.
Das Areal läßt sich dabei sowohl für die Nord- als
auch für die Südhalbkugel zwischen dem 35. und 40.
Breitengrad festmachen.
In den einzelnen Gebirgen ist die Höhe
des Verbreitungsgürtels ungefähr wie folgt von den
verschiedenen Autoren angegeben:
Kreta |
1500-2456 m |
HAGER, GREUTER |
Türkei |
1700-2700 m |
KRAUSE, SCHIECHTL & STERN |
Pamir |
1700-4300 m |
KRIVOMOGOVA |
Hoher Atlas |
2400-3500 m |
QUEZEL, RAUH |
Höhenverbreitung von Pflanzen der Dornpolsterfluren auf Kreta (Abbildung)
Arten, die die typische halbkugelige Polsterform konvergent entwickelt haben, gehören besonders häufig den Familien Fabaceae, Plumbaginaceae, Apiaceae, Rubiaceae sowie den Nelkengewächsen (Caryophyllaceae) an. Fragen nach dem Grund für die Ausbildung dieser Gestalt, besonders nach evtl. Konkurrenzvor- und -nachteilen, sollen später nocheingehender behandelt werden.
Die potentielle Verbreitung der Dornpolsterfluren auf
Kreta wird von HAGER für die Bereiche oberhalb 1500m bis 2400 m
angegeben, so daß innerhalb der kretischen Verbreitung noch
einmal drei Bereiche näher ausgegrenzt werden können: die
Weißen Berge (Lefka Ori) im Westen, der Ida als Teil des
Psiloritis-Massivs in der Mitte sowie die Diktischen Gebirge mit dem
Spathi im Osten der Insel.
Zwischen den Fluren der einzelnen
Areale bestehen deutliche Unterschiede in Bezug auf ihre
Standortbedingungen und Artenzusammensetzung; besonders die
Formationen der Weißen Berge zeigen ein eigenes Gesicht. Um
genaueres über die Gründe der Verbreitung der einzelnen
Verbände, bei ZOHARI & ORSCHAN 1966 werden das Astragalion
cretici für die Mitte und den Osten sowie der Verbascion
spinosi für die Weißen Berge genannt, sollen Fragen zu
unterschiedlichen geologischen, edaphischen und klimatologischen
Bedingungen kurz erörtert werden, vor allem soll aber
hinterfragt werden, in welchem Maße anthropogene und
historische Faktoren entscheidenden Einfluß auf das sich uns
darbietende Areal hatten und noch immer haben.
Das Klima in diesen Höhen ist als Winterregenklima
zu bezeichnen; die Niederschläge fallen fast ausschließlich
in den Monaten Oktober bis März, teilweise - besonders in den
höheren und deutlich kontinental geprägten Gebirgen
Vorderasiens - dann als Schnee.
Die Unterschiede im Klima,
besonders die differierenden Niederschlagsmengen und Temperaturen in
den unterschiedlichen Gebirgsmassiven auf Kreta, sind in erster Linie
auf die andersartige Beeinflussung durch verschiedene Winde
zurückzuführen. So kann ein Abnehmen der
Niederschlagsmengen von West nach Ost festgestellt werden, da die
winterlichen Westwinde zuerst an den westlichen Gebirgen abregnen und
weitaus trockener die Gebirgsmassive der Mitte und des Ostens
erreichen. Warme Sahara-Winde beeinflussen das Klima auf der Südseite
stärker als an der Nordseite, die vor allem im Sommer immer
einige Grade kühler ist.
An dieser Stelle können nur
grobe Grundzüge des Klimas Kretas angesprochen werden; das Klima
einschließlich des Meso- oder gar Mikroklimas ist vor allem in
den Schluchten, Dolinen und an anderen extremen Standorten im
Gebirge, um das es hier ja im wesentlichen geht, sehr
unübersichtlich. An fast allen Punkten wirken in der Regel im
extremen Maße die Faktoren Strahlung und hohe
Windgeschwindigkeit.
Aus den abgebildeten Klimadiagrammen kann allgemein folgender Klimaverlauf übers Jahr beschrieben werden (Abbildung)
Spätestens ab Juni bilden Regen in den Gebirgen
die absolute Ausnahme, für die vegetation können sie als
irrelevant angesehen werden. Die Herbstregen setzen in der Zeit von
September bis Ende Oktober ein, wobei die Weißen Berge meist
eher davon profitieren. Auch in vertikaler Richtung setzen die
Niederschläge nicht zur selben Zeit ein; Höhen erhalten
früher und mehr Regen als die Tieflagen, Westflanken mehr als
Süd- und Ostflanken usw. Insgesamt ergibt sich ein sehr
differenziertes Bild.
In den Wintermonaten fällt der
Niederschlag als Schnee.
Die Niederschlagssumme für die
meisten Dornpolsterfluren soll nach KRIVONOGOVA im Bereich von 300 -
400 mm/Jahr liegen; dies scheint nach Auswertung der Klimadiagramme
jedoch fraglich.
Besondere Bedeutung erlangt während der
Sommerdürre regelmäßig gegen Mittag/Nachmittag
aufziehender Nebel, dessen Feuchtigkeit von der Vegetation regelrecht
aus der Luft herausgekämmt wird.
Die Temperaturen variieren mit verschiedenen Höhen
deutlich, so daß an dieser Stelle auf einen Durchschnittswert
verzichtet werden soll. Die Sommermonate (Mai - Oktober) können
aber auch in höheren Lagen als relativ heiß bezeichnet
werden, Temperaturen bis an die 30°C sind auch hier keine
Rarität.
Wichtig hingegen erscheint es, daß auch
während dieser Zeit regelmäßig Nachtfröste
auftreten können; dies trifft vor allem auf Nächte mit
hoher Ausstrahlung zu.
Pflanzen dieser Formation aus verschiedensten Familien
weisen alle folgende Merkmale in unterschiedlicher Ausprägung
auf:
- kurzer Primärsproß
- radiale, meist nach
allen Seiten ausstrahlende gestauchte Sprosse
- gut entwickelte,
tiefe Pfahlwurzel
- Dornen verschiedenster morphologischer
Herkunft (Blatt- und Spoßdornen)
Der Polsterwuchs ist nicht als modifikative Anpassung an die Umweltbedingungen, besonders die extremen Wind-, Strahlungs-, und Temperaturverhältnisse, zu sehen, sondern muß als gemeinsames Merkmal einer Gesellschaft von Mutanten verstanden werden, die für die nun von ihnen besetzte ökologische Nische besser präadaptiert zu sein scheint als die früher vorkommenden Arten. Es muß jedoch beachtet werden, daß die klimatischen Bedingungen die extreme Ausprägung des Wachstums z.B. durch das auf die erhöhte UV-Strahlung zurückzuführende reduzierte Internodienwachstum fördern.
Im folgenden sollen die Artenzusammensetzung und
Verbreitung der Dornpolsterfluren für die Gebiete des Ida und
der Weißen Berge wegen der unterschiedlichen Standortfaktoren
sowie der nicht homogenen anthropogenen Nutzungen getrennt
beschrieben werden.
Die Ergebnisse resultieren im wesentlichen aus
pflanzensoziologischen Aufnahmen, die der Dissertation von HAGER
entnommen wurden.
Ida
Bereits in einer Höhe von ca. 1350 m
Höhe, noch im Bereich der Waldzone, finden sich am Ida lockere
Dornpolster - Gesellschaften mit Astragalus creticus, einer
Dornpolsterpflanze im engeren Sinne, und der sommerkahlen,
polsterförmigen Euphorbia acanthothamnos. Diese Arten
bilden, begleitet von zahlreichen Krautigen mit geringer Abundanz,
mit den Arten des Waldgürtels, bes. Acer sempervirens,
ein ineinander verschlungenes Mosaik aus. Neben diesen Spezies treten
Rhamnus prunifolia, Juniperus oxycedrus, Amelanchier
cretica und vor allem Berberis cretica, welche durch
zahlreiche Dornen vor Verbiß geschützt ist, stetig auf.
Abbildung
Mit zunehmender Höhe nimmt die Deckung der oft zu
Sträuchern verbissenen Baumarten ab, und die weiteren Kennarten
der Dornpolsterfluren, Astragalus angustifolius sowie
vereinzelt auch Acantholimon ulicinum, treten neben zahllosen
Begleitern in den Vordergrund. Die Baumgrenze ist für die
einzelnen Baumarten zwischen 1650 und 1750 m anzusetzen. Der gesamte
Deckungsgrad der Vegetation nimmt von anfangs über 90% (1350 m)
auf unter 40% (ab 1720 m) ab, der der Dornpolsterpflanzen hingegen
steigt auf Werte > 75% in Kammlagen.
Auf dem windexponierten
Kamm findet man fast ausschließlich die halbkugeligen Polster
der Astragalus-Arten, alle anderen Pflanzen zeigen, soweit sie
überhaupt in nennenswertem Maße vorkommen, deutlich vom
Wind beeinflusste Wuchsform. So kommt die in 1300 m Höhe bis
weit über 2 m wachsende Berberis cretica nur noch in
wenige cm hohen Exemplaren im Schutz von Dornpolstern oder Felsen
vor.
In den noch höheren Lagen des Ida zeigt sich ein
ähnliches Bild: der Deckungsgrad der Vegetation ist je nach
Wind- und edaphischen Verhältnissen unterschiedlich, es
überwiegt vor allem A. creticus, der aber an besonders
windgefegten Stellen dem "stabileren" Acantholimon
ulicinum und Astragalus angustifolius weicht. In Gebieten,
in denen lange bis in die Sommermonate Schnee liegenbleibt, ist neben
einer Dominanz von Astragalus creticus vor allem das Auftreten
von Grasfluren (Dactylis glomerata ssp. rigida) zu
verzeichnen. Dies scheint mit einer Staunässe während der
Schneeschmelze zu korrelieren.
Weiße Berge (Lefka Ori)
Entlang eines
Vegetationstransektes wurden von HAGER zahlreiche
Vegetationsaufnahmen nach BRAUN-BLANQUET vorgenommen, die ungefähr
folgendes Bild widerspiegeln:
Bis zu einer Höhe von ungefähr
1600 m treten die einzigen echten Dornpolsterpflanzen der Weißen
Berge, Astragalus angustifolius und Acantholimon ulicinum,
nur vereinzelt auf.
Im Bereich von 1100 - 1350 m Höhe zeigen
sich durchs starke Überweidung geformte Gesellschaften, die
neben den Krautpflanzen vor allem Acer sempervirens, Cupressus
sempervirens, Berberis cretica und Rhamnus prunifolia
aufweisen. oberhalb 1350 m ist zuerst die Abnahme des lockeren
Zypressenwaldes, ab 1550 m schließlich auch der Rückgang
der strauchförmigen Acer-Exemplare zu verzeichnen. An die
Stelle dieser Arten treten in zunehmendem Maße Berberis
cretica und Rhamnus prunifolia. Im Bereich der
windexponierten Kämme bei 1640 m bilden schließlich
Astragalus angustifolius und Acantholimon ulicinum fast
reine Dornpolsterfluren aus. In windgeschützten Abschnitten
dieser Höhenstufe können aber auch vereinzelt wieder
Berberis cretica und Rhamnus prunifolia zu den
Dornpolstern treten.
Zusammenfassender Vergleich
Ida und Lefka Ori
zeigen ein stark unterschiedliches Landschaftsbild, welches wohl im
wesentlichen auf die ungleiche Petrographie zurückzuführen
ist.
Ab einer Höhe von ca 1500 m übernehmen die
Dornpolster des Ida die Oberhand, die Baumarten zeigen spärlichen
Wuchs und geringe Abundanz. Die drei hier vorkommenden
Igelpolster-Arten Astragalus creticus, A. angustifolius
sowie Acantholimon ulicinum kommen meist nebeneinander vor.
Astragalus creticus dringt dabei, konkurrenzstark durch seinen
Schnellwuchs, bis in Lagen um gut 1000 m hinab, Acantholimon
und Astragalus angustifolius hingegen werden besonders in
hohen Bereichen der windexponierten Gipfel gefördert, da sie,
wintergrün, im Winter von einer schützenden Eiskappe gegen
die kalten Nordwinde geschützt sind. insgesamt weisen auch die
Hochlagen des Ida im Vergleich zu den Lefka Ori ein grünes Bild
auf.
Die extreme Zerkarstung der Weißen Berge führt zu
einer geringeren Vegetationsbedeckung oberhalb der Baumschicht;
Kennarten sind Astragalus angustifolius und die nicht in engerem
Sinne zu den Dornpolsterarten zu zählenden Anchusa caespitosa
sowie Verbascum spinosum. Die letzteren sind Endemiten.
Acantholimon tritt neben Satureja spinosa im Bereich
der Gipfellagen oberhalb 2000 m hinzu.
Der Anteil der Dornpolster
steht in enger Beziehung zur Intensität des Windes, dessen
Wirkung jedoch noch durch die Exposition unterschiedlich modifiziert
wird. Diese abiotischen Faktoren wirken sehr kleinräumig.
Wichtigen
Einfluß auf die Verbreitung der Dornpolsterarten haben auch
noch zwei andere Parameter. Für alle Arten konnte festgestellt
werden, daß sie, um konkurrenzfähig zu sein,eines
bestimmten Feinerdeanteils zwischen den verwitterten Gesteinen
bedürfen. Ist diese abgetragen, dominieren vor allem Gräser
oder andere anuelle Arten. Ebenfalls empfindlich reagieren die
Sträucher auf Staunässe, die bei einigen von HAGER
untersuchten Pflanzen zu Blaufäule der Wurzeln geführt
hatte.
Der jährliche Zuwachs der Phytomasse ist für
die einzelnen Dornpolster-Arten unterschiedlich; er soll an dieser
Stelle auch nicht näher quantifiziert werden. HAGER stellte
ebenso wie GREUTER fest, daß er für Astragalus creticus
am größten ist, dies spiegelt sich auch - wie schon
beschrieben - in der Konkurrenzfähigkeit gegenüber den
Bäumen und Sträuchern der oberen Baumschicht wider.
Die
Größe und die Wuchsform variieren für alle
untersuchten Arten (besonders bei Astragalus creticus) mit der
Höhe und damit verbunden mit der Intensität der Faktoren
Wind und evtl. auch Strahlung.
Im Gegensatz zum teilweise sehr
geringen Jahreswachstum des Sprosses und der sonstigen oberirdischen
Phytomasse zeigen die kräftigen Pfahlwurzeln schon in jungen
Jahren Längen von mehreren Metern. Ausgrabungen von Wurzeln
zeigen selbst in 1,7 m Tiefe kaum Anzeichen von Verjüngung, eine
weitaus größere Tiefe kann postuliert werden.
Das Alter
ist bei den drei Arten nicht oder nur schwerlich über das
Auszählen der Jahresringe zu ermitteln; die Extrapolation des
von HAGER ermittelten jährlichen Zuwachses würde für
die Astragalus-Arten ein ungefähres Alter von 40 - 70
Jahren, für Acantholimon sogar über 100 Jahre
ergeben.
Bodenreaktion
Naturgemäß liegen,
dem Ausgangsgestein entsprechend, fast alle pH-Werte im basischen
Bereich; Ausnahmen gibt es lediglich bei extrem ausgewaschenen Böden
einiger Dolinen. Diese hohen Werte korrespondieren jedoch nicht
zwangsläufig mit hohem Gehalt an verfügbarem Kalk, da die
Substrate aus unterschiedlichen Gesteinen wie Kalkstein und Dolomit
hervorgehen. Die Gehalte an Kalk bzw. Magnesium schwanken zwischen
23,6 und 0,02 bzw. 0,127 und 0,029 % im Bereich der Polster,
besonders unter Acantholimon, zeigt sich deutlich der Einfluß
der Pflanzen auf die Bodenreaktion, den Anteil organischer Substanz
und den Stickstoffgehalt. Durch Ansammlung von eingeblasenem Staub
kann sich unter den Polstern von Acantholimon ulicinum in Verbindung
mit der Streu ein signifikant höherer Humusgehalt und damit eine
veränderte Menge an C und N , sowie ein niedrigerer pH-Wert
(min. 6,28 in den Lefka Ori; 5,65 im Ida) einstellen. Diese
Feststellung ist für die anderen Arten nicht in diesem Maße
zu machen.
Wasserhaushalt und Saugspannung
Mit Ausnahme
weniger Sonderstandorte (Quellbereich, unter schrägen
Felsplatten usw.) tritt bereits Ende Juni in den von HAGER
untersuchten Böden der PWP (pF=4,2) ein; die Vegetation, auch
die mit einer langen und mächtigen Pfahlwurzel ausgestatteten
Dornpolsterpflanzen, beginnt zu welken.
Es wurden in 40 cm Tiefe
für den Boden die enormen Saugspannungen von mehr als 50 bar
nachgewiesen (WIESER wies für die Alpenböden max. 1 bar
nach).
In größeren Höhen spielt dieses Phänomen
wegen des lange liegenbleibenden Schnees eine wesentlichgeringere
Rolle, den Pflanzen steht bis in den Spätsommer ausreichend
Wasser zur Verfügung.
Niederschläge
Wie zu Beginn kurz
erwähnt, spielen in den Sommermonaten Niederschläge in Form
von Regen eine untergeordnete Rolle; wichtig für den
Wasserhaushalt der Pflanzen hingegen sind die häufigen
Nebelbildungen in den höheren Lagen, die teilweise nur eine
Sicht von wenigen Metern erlauben. Die Pflanzen kämmen die
Feuchtigkeit so effektiv aus der Luft, daß sie mitunter vor
Nässe triefen. Dies gilt besonders für die von HAGER
untersuchten Weißen Berge.
Wind
Die gemessenen Windgeschwindigkeiten
zeigen signifikante Unterschiede für die beiden
Untersuchungsgebiete in den Lefka Ori und im Ida-Massiv. Die
extremeren Windgeschwindigkeiten wurden für den Pachi Arma
(Lefka Ori) gemessen - > 30 m/sec im Vergleich zu 24 m/sec - , die
Geschwindigkeit des Gros der Messungen hingegen lag im Bereich der
Nida-Ebene im Ida-massiv höher. Hier wurden 4-10 m/sec im
Vergleich zu 2-4 m/sec registriert.
Diese Winde werden in
Bodennähe durch die Polster der beiden Astragalus-Arten und
Acantholimon ulicinum um 98-99% gemindert. Dies ist besonders bei
niedrigen Windgeschwindigkeiten der Fall.
Strahlung
Die für den mediterranen Raum
typisch hohe Globalstrahlung (bis 1,1 KW/m²) wird von den
Dornpolstern in höherem Maße absorbiert - um dann für
die Wasserverdunstung umgesetzt zu werden - als durch den in
unmittelbarer Nähe befindlichen, fast nackten Boden. Die Werte
lagen bei 52,2% über den Pflanzen im Vergleich zu 46,4% bzw..
nur 18,4% (teilweise Schneebedeckung!) über dem Boden.
Temperatur und Luftfeuchte
Der
Temperaturverlauf übers Jahr ist auf Kreta als relativ homogen
aufzufassen, die Meeresnähe nivelliert Minima und Maxima; im
Gebirge hingegen zeigt sich ein deutlicher Höhengradient
besonders im Sommer. In Höhen ab 1600 m ist selbst im Mai/Juni
noch regelmäßig mit Nachtfrösten zu rechnen.
Die
Luftfeuchte ist stark abhängig von der Wetterlage (gemessene
Werte von HAGER zwischen 10 und 100% zu verschiedenen Jahreszeiten),
das Dampfdruckdefizit weist jedoch im Sommer deutlich höhere
Werte (bis 38 mbar) auf.
Von großer Bedeutung für die Vegetation ist
das am Standort vorherrschende Meso- und Mikroklima, das in
unterschiedlich großem Maße auch von den Pflanzen
beeinflusst wird.
Die Temperatur auf der Blattoberfläche der
Dornpolster wies im allgemeinen eine höhere Temperatur auf als
die umgebende Luft, war jedoch weitaus niedriger als die zu höchster
Strahlungsintensität gemessene Bodentemperatur. Dies hängt
z.B. mit der Fähigkeit der Fabaceaen zusammen, ihre
Fiederblättchen während der Mittagszeit zu falten, so daß
die der Strahlung ausgesetzte Oberfläche deutlich verkleinert
wird. Dies führt soweit, daß für Astragalus
creticus auch im Hochsommer für den gesamten Tagesverlauf im
Vergleich zur umgebenden Luftschicht niedrigere Temperaturen
festgestellt werden konnten. Es ist allerdings fraglich, ob und
inwieweit die Pflanze von den niedrigeren Temperaturen im Innern des
Polsters profitiert, da die assimilierenden Blätter an der
Kugeloberfläche liegen und somit der Einfluß des
günstigeren Mikroklimas für diese kaum Wirkung zeigen
dürfte.
Auch auf die kleinräumige Verteilung der
Luftfeuchte und des Dampfdruckdefizites wirkt sich das Vorhandensein
der kugeligen Polster aus. Das Dampfdruckdefizit ist im Polster
deutlich geringer als auf der Pflanze im Bereich der Blätter;
weitaus höher hingegen ist es in der umgebenden Luft, das
absolute Maximum wird knapp über dem stark erhitzten Boden
erreicht. Dies gilt für Strahlungstage, für bewölkte
Tage und besonders für die Nächte mit hoher Ausstrahlung
sehen die Verhältnisse anders aus, können sich sogar
umkehren.
Evaporation und Verdunstung
Die Evaporation
und die Verdunstung hängen im wesentlichen von der Temperatur
und der Windgeschwindigkeit ab. Während der Sommermonate wurden
Werte von 1,2 bis 2,8 ml/h für die Evaporation ermittelt. Die
Unterschiede sind in erster Linie auf verschiedene Windverhältnisse
zurückzuführen. Die Verdunstung einer freien Wasserfläche
zeigt ähnliche Schwankungen: HAGER konnte Mittelwerte zwischen 5
und 16 mm/h messen.
Wasserhaushalt der Pflanzen
Im Vergleich mit
anderen Pflanzen arider Gebiete erscheinen die von verschiedenen
Autoren (HAGER; BLAGOWESTSCHENSKI 1926) ermittelten Werte für
die Saugspannung bzw. den osmotischen Wert relativ niedrig. So liegen
die meisten der von DUHME (1974) für immergrüne mediterrane
Arten gemachten Angaben deutlich höher; alpine Polsterpflanzen
hingegen weisen geringere Werte auf (KÖRNER et al.). Zu Fehlern
bei der Ermittlung der Saugspannung durch unterschiedliche Methodik
äußert sich u.a. WALTER (1931).
Festzustellen ist für
die Dornpolsterpflanzen ein Jahresgang der Saugspannung, der es
zwanglos erlaubt, diese den Xerophyten zuzuordnen. Diese sind nach
COWAN (1981) dadurch charakterisiert, daß sie in der Lage sind,
schon bei geringem Wasserverlust die Saugspannung zu erhöhen, um
weiterhin Photosynthese betreiben zu können.
Auf der gesamten Insel zeigt sich - wie auch im gesamten mediterranen Raum - ein deutlicher Druck des Menschen auf die Vegetation. Daß es sich hierbei nicht um Erscheinungen der letzten Jahre und Jahrzehnte handelt, ist allgemein bekannt. Die potentielle natürliche Vegetation dieses Raumes ist spätestens seit dem frühen Mittelalter (in vielen Gebieten weitaus früher) auf wenige, meist unzugängliche Gebiete zurückgedrängt. Infolge enormer Bodendegradierungen in den gerodeten Landstrichen ist selbst bei eingeschränkter oder unterlassener Nutzung kaum mit dem Aufkommen von Waldvegetation zu rechnen.
Weidewirtschaft auf Kreta
Den größten
Einfluß auf die Verbreitung und Degradierung der Vegetation in
weiten Teilen des Mittelmeergebietes hat neben der teilweise massiven
Entnahme von Brenn- und Bauholz die Beweidung der Landschaft mit
Schafen und besonders Ziegen. Letztere sind in der Lage, fast
jegliche Form von Vegetation zu nutzen. Selbst die wenigen noch
stehengebliebenen Bäume sind vor den kletternden Ziegen nicht
sicher.
Auf Kreta wird die für viele Regionen typische Form
der Mittelmeer-Almwirtschaft betrieben. In einer Entfernung von einem
bis mehreren Tagesmärschen vom Dorf befinden sich in einer Höhe
von ungefähr 1100 bis > 1800 m die verschiedenen Almen, die
zu unterschiedlichen Jahreszeiten aufgesucht werden. Meist werden
diese "Sommeralmen" von Mitte April bis zum ersten
Schneefall frequentiert, Hochalmen oberhalb 1800 m nur während
des Hochsommers. Diese Wirtschaftsform ist seit dem Mittelalter
bekannt und erlebte einen Boom mit der Besetzung der Insel durch die
Türken, welche eine harte Besteuerung der Bevölkerung
erließen, der viel Einheimische durch die Flucht in die Berge
entgehen wollten.
Je nach Nahrungsangebot, dies ist lokal sehr
spärlich, weiden bis zu 3,5 Tiere (Schafe und Ziegen) auf einem
Hektar. Von DIETL (1982) wird für die dichte Mattenvegetation
der Schweizer Kalkalpen eine Obergrenze von 2,5 Schafen pro ha
gefordert. In den letzen Jahren konnte für viele Bereiche
Westkretas eine Zunahme der Anzahl der Tiere pro Betrieb registriert
werden (FRÖHLICH 1987).
Dies ist vor allem durch die
Zufütterung von Kraftfutter (bis 70t/1000 Tiere) während
der Engpässe (Dürren etc.) möglich geworden. Da neben
diesem enormen Druck auf die Vegetation auch noch die dennoch
aufkommenden Holzgewächse für den bedarf der Käsereien
oder zur Verwendung als Laubfutter geschneitelt werden, ist ein
Konkurrenzvorteil der von Mensch und Tier (mit Ausnahme der Ziegen)
gemiedenen Sträucher wie Berberis cretica und vor allem
den Astragalus-Arten und Acantholimon zu vermerken.
Lediglich im Bereich der Hochalmen werden auch Polster dieser Arten
als Brennholz genutzt.
Auf einer von HAGER eingezäunten
Vergleichsfläche wurde schon im zweiten Jahr eine Zunahme des
Deckungsgrades der Vegetation von 50 auf 70% registriert; Arten, dies
sonst kaum zum Blühen gelangen, erreichten schnell recht hohe
Abundanzen.
Wie gesehen, bedarf es der Beachtung ganz
unterschiedlicher Parameter, um die Verbreitung der Dornpolsterfluren
auf Kreta (und nicht nur dort) erklären und verstehen zu
können.
Einer der entscheidenden Faktoren für den
Wettbewerbsvorteil dieses Ökotyps in der subalpinen (oder auch
alpinen Stufe in anderen Gebirgen) ist mit großer
Wahrscheinlichkeit die Fähigkeit, auch fast permanentem Wind mit
teilweise großen Geschwindigkeiten mit wenigen Problemen
trotzen zu können; lediglich Größe und Wuchsform
werden modifiziert. Im Gegensatz zu anderen Arten scheinen die
Dornpolster auch durch den die Kutikula verletzenden mit dem Wind
transportierten Staub nicht geschädigt zu werden.
Der
anthropogene und vor allem der anthropozoogene Einfluß durch
die massive Beweidung bereitet den dornigen Sträuchern mehrerer
Pflanzenarten, die nicht alle zu den Dornpolsterpflanzen i.e.S. zu
zählen sind, Vorteile gegenüber anderen Arten, die radikal
abgefressen werden. Dies erklärt in vielen Fällen die
Ausweitung des Areals der Dornpolster in den montanen Tiefen des
eigentlichen Laubwaldgürtels auf Kreta. Dort bilden sie - vor
allem der schnellwüchsige Astragalus creticus - zusammen
mit oft bis auf Strauchform verbissenen Exemplaren von Acer
sempervirens, Cupressus sempervirens, Crataegus
monogyna ssp. azarella, Quercus coccifera u.a. eng
verzahnte "Misch-Gesellschaften". Dies kann nur geschehen,
wenn die Restwälder geringe Deckungsgrade aufweisen, um den
Sonnenpflanzen Astragalus spec. und Acantholimon ulicinum
nicht das notwendige Licht zu nehmen.
Es muß noch einmal
ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Beweidung
die Dornpolsterfluren an normalerweise für sie suboptimalen
Standorten fördert, nicht aber für ihren Entstehung bzw..
Verbreitung an sich verantwortlich ist.
Ein weiterer begrenzender
Faktor für das Vorhandensein von Dornpolsterpflanzen liegt in
den edaphischen Bedingungen. Die drei Arten bedürfen eines
Minimums an Feinboden zwischen dem Gestein; ferner muß der
Boden ruhen, d.h., es darf keine Bewegung wie auf Geröllhalden
o.ä. stattfinden. An solchen Standorten haben die ebenfalls in
der sublapinen Stufe vorkommenden zahlreichen Spaliersträucher
Wettbewerbsvorteile. Auf regelmäßig in Frühjahr
staunassen Substraten verdrängen Gräser und andere die
Dornpolster, Hier kann sich lediglich der nur im Bereich des Ida
vorkommende Astragalus creticus halten.
Der Deckungsgrad
der Pflanzen allgemein und der Dornpolster im besonderen resultiert
aus den Wirkungen all dieser Faktoren (Höhe, Wind, Boden,
Nutzung).
Um die Unterschiede in der Zusammensetzung der vegetation der beiden von HAGER untersuchten Gebiete zu verstehen, müssen neben den rezenten Standortbedingungen und den unterschiedlichen Klimaten evtl. auch Vorgänge in geologischer Vergangenheit berücksichtigt werden. So kann die Isolierung der einzelnen Gebirgsmassive während des Pliozäns herangezogen werden, um zu verstehen, warum es keine Durchmischung der beiden Floren geben konnte.
FRÖHLICH, M. 1987: Westkreta. zur Geographie der Agrarlandschaft. Berlin/Vilseck
GREUTER, M. 1975: Die Insel Kreta - eine geobotanische Skizze. in: Ergebnisse der 15. Int. Pfl.-Geogr. Exkursion durch Griechenland 1971. Veröffentl. Geobot. Inst. Rübel 55(1): 141-197
HAGER, J. 1985: Pflanzenökologische Untersuchungen in den subalpinen Dornpolsterfluren Kretas. Vaduz.
JACOB, F., JÄGER, E., OHMANN, E. 1987: Botanik. Jena.
LARCHER, W. 1984 (4): Ökologie der Pflanzen. Stuttgart.
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