Die Höhenstufen der Vegetation im Mittelmeergebiet unter besonderer Berücksichtigung Kretas

Ulrich Deutinger

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Einleitung

Zum Anlaß der Geobotanischen Exkursion vom 3.6. - 17.6.1992 nach Kreta, soll hier kurz auf die Höhenstufen der Vegetation im Mediterrangebiet und speziell auf der Insel Kreta eingegangen werden.

Höhenstufen und Vegetation

Definition: "Vegetations- und Verbreitungsstufen, die durch eine charakteristische Verteilung der Vegetation auf bestimmte Höhenlagen zustande kommen." (SCHUBERT u.WAGNER 1988, S.217)

In Anlehnung an die Alpen werden die Höhenstufen grob unterteil in:
Planare Stufe (Tieflagen),
Kolline Stufe (Hügelstufe),
Montane Stufe (Bergstufe),
Alpine Stufe (Gebirgsstufe).

Von Stufe zu Stufe sinkt die Temperatur im Mittel um 0,5-0,6°C pro 100 m. Ebenso nehmen die mittlere Jahrestemperatur und die Dauer der Vegetationsperiode ab. Es bilden sich unterschiedliche Vegetationsstufen aus, die wiederum durch die Exposition, die Gesteinsunterlage (unterschiedliche Bodenbildung) und Luv- oder Leelage modifiziert werden.
Im Grunde wirkt das Klima aber nur indirekt, "indem es die Wettbewerbsfähigkeit der Baumarten beeinflusst. Die Verbreitungsgrenzen werden nicht durch das Klima, sondern durch den Wettbewerb bestimmt und liegen dort, wo die Konkurrenzkraft einer Art gegenüber einer anderen stark absinkt, daß sie von der anderen verdrängt wird." (WALTER 1975, S.78 f).

Höhenstufen des Mediterrangebietes unter besonderer Berücksichtigung der Insel Kreta

Nach WALTER (1975), S.73) lassen sich im Mittelmeergebiet zwei Grundtypen der Höhenstufenfolge unterscheiden:

humide Höhenstufenfolge: Die humide Höhenstufe findet man dort, wo der Wassergehalt der Luft schon an der Meeresküste sehr hoch ist. Steigen diese Luftmassen an einem Gebirgshang auf, so tritt infolge der adiabatischen Abkühlung in einer bestimmten Höhe Kondensation des Wasserdampfes ein und es kommt zur Wolkenbildung. die sich bei Berührung des Berghanges als nässender Nebel oder bei stärkerer Übersättigung als Regen auswirkt. Diese Nebelwaldstufe ist durch das Auftreten von Buchenwäldern gekennzeichnet. Je nach Wassergehalt der Luft und je nach der Geschwindigkeit der Abkühlung kann diese Nebelwaldstufe, in der sich die Sommerdürre nicht bemerkbar macht, bald tiefer, bald höher liegen. Die typischen Höhenstufen in diesem Gebiet sind von unten nach oben:
a) immergrüne Hartlaubstufe mit mediterranem Charakter
b) Sommergrüne Laubmischwaldstufe mit submediterranem Charakter
c) Nebelwaldstufe mit Buchen, die einen mitteleuropäischen Charakter hat und bis zu alpinen Baumgrenze reicht.
- aride Höhenstufenfolge: Bei der ariden Höhenstufenfolge ist der Wassergehalt der Luft so gering, daß es zu keiner Wolkenbildung am Gebirgshang kommt. Der Himmel bleibt im Sommer klar, oder die Wolken hängen über dem Gebirge. In letzterem Fall wird im Gebirge zwar die Sonneneinstrahlung etwas geschwächt, da jedoch für die Pflanzen vor allem der Wassergehalt des Bodens von Bedeutung ist und dieser im Sommer trocken bleibt, so wirkt sich auch die Sommerdürre bis in die alpine Stufe hinein aus. Die mittleren Stufen mit sommergrünen Laubwäldern fehlen infolgedessen. An ihre Stelle treten Nadelwälder. Die Folge ist:
a) Immergrüne Hartlaubwälder
b) Montane Kiefernwaldstufe
c) Subalpine Nadelwaldstufe (meist) mit Tanne, aber auch mit Zypresse oder Zeder.

Alle Stufen besitzen einen besonderen mediterranen Charakter. Die humide Höhenstufenfolge ist für den nördlichsten teil der mediterranen Zone bezeichnend, die aride für den südlicheren. Dazwischen findet man meist eine Stufenfolge mit Übergangscharakter.
Auf der Insel Kreta, die im Südosten des Mittelmeergebietes liegt, sollte die aride Höhenstufenfolge ausgebildet sein. Von Juni bis August ist Regen sogar im Gebirge eine Ausnahmeerscheinung (GREUTER, 1975, S.156). Auf Kreta fehlt eine sommergrüne Laubwaldstufe ganz. s. jedoch Reisigl.

Submediterrane Wüstensteppen (REISIGL u. DANESCH 1980)

In den niederschlagsärmsten und wärmsten Gebieten Kretas, längs der Süd- und Ostküste, sowie auf den der Südküste vorgelagerten Inseln Koufonisi, Hrisi und Gavdos und dem an der Südwestecke Kretas gelegenen Düneninselchen Elafonisi finden sich Arten saharo-arabischer Affinität. Diese können als Überreste eines Halbwüstengürtels aufgefaßt werden (GREUTER 1975). Auf den genannten Inselchen findet man zwei wohlcharakterisierte Assoziationen. Leitarten der Assoziation, die vor allem Flug- und Dünensand besiedelt sin Silene succulenta, Ipomaea stolonifera, Plantago squarrosa, Aegialophila pumilio und Androcymbium rechingeri. Die zweite Assoziation ist vor allem auf harten, steinigen Neogenböden der Sublitoralzone ausgebildet. Sie ist durch das Vorherrschen von Zygophyllum album, Limoniastrum monopetalum, Periploca angustifolia und Aeluropus lagopoides ausgezeichnet (GREUTER 1975).
Auf der Hauptinsel stand das Halbwüstenelement naturgemäß mit den Hartlaubwäldern in einem labilen Konkurrenzgleichgewicht.

Mediterrane Hartlaubstufe (collin)

Hartlaubgewächse sind Pflanzen mit immergrünen, ledrigen, meist ziemlich kleinen, z.T. behaarten Blättern. An die trockenen, heißen Sommer des Mittelmeergebietes sind sie gut angepasst.
Die zu Beginn geschilderten Höhenstufen der Vegetation sind auf Kreta nicht ausgebildet. Nach GREUTER (1975) gehörten alle Wälder Kretas mit Ausnahme der extrazonalen, reliktischen Palmenhaine in den Bereich der immergrünen Mediterranstufe. Die dominierenden Baumarten waren Steineiche, Kermeseiche und wilder Ölbaum, wobei sich das Gleichgewicht bei zunehmender Aridität zugunsten von Olea, bei zunehmender Höhenlage zugunsten von Quercus coccifera verschiebt.
Auf lockeren Schutt- und Steinböden finden sich Strandföhrenwälder (Pinus brutiae). Diese Strandföhrenwälder, bei denen es sich fast stets um reine Bestände von Pinus brutia handelt, haben sich auf Kostendes Hartlaubwaldes stark ausgebreitet. Ihre Fähigkeit zu Kolonisierung entwaldeter Flächen, ihre rasche Wüchsigkeit, verbunden mit einer gewissen Förderung durch den Menschen haben dies ermöglicht. Vor allem an den Südabdachungen der Gebirge bedecken diese recht beträchtliche Flächen und reichen hoch hinauf. Am Südhang der Weißen Berge z.B. weichen sie oft erst in einer Höhe von 1000-1200 m dem geschlossenen Bergwald.

Submediterrane Flaumeichenstufe (submontan)

Das vierstufige Sichtprofil der Wälder des Südteils der Balkanhalbinsel mit (von unten nach oben): Hartlaubwald, Flaumeichenwald, Laubmischwald und Tannen-Schwarzföhrenwald ist nur selten vollständig ausgebildet. während im Norden die zwei untersten Stufen verschmelzen, fällt im Süden der Laubmischwald aus. Je weiter man im Balkan nach Süden und Osten vordringt, desto undeutlicher wird dann selbst die Dreistufigkeit der Waldzone. Eingekeilt zwischen die Hartlaub- und die Tannen-Schwarzföhrenwälder verliert der Flaumeichengürtel immer mehr an Bedeutung, um schließlich ganz zu verschwinden. Während im westlichen und mittleren Peloponnes die Flaumeichenwälder noch weit verbreitet sind, überschichtet längs der Ostküste der Tannen-Schwarzföhrenwald unmittelbar den Hartlaubwald.
Im Bereich der Ägäis (RECHINGER 1951) findet sich der Flaumeichengürtel noch undeutlich ausgebildet auf Euböa in Höhenlagen zwischen 600 und 900 m. Auf den ostägäischen Inseln ist ein laubwerfender Gürtel offenbar gar nicht ausgebildet. Dieses progressive Auskeilen und Verschwinden der Flaumeichenwälder gegen Südosten ist offenbar auf geringfügige Verschiebung des Konkurrenzgleichgewichtes zugunsten der Wälder der benachbarten Stufen zurückzuführen.
Die paradoxe vertikal Verbreitung der Flaumeichenbestände auf Kreta hat dazu geführt, daß ihr Indigenat angezweifelt wurde. Wäre das Vorkommen der Flaumeiche auf Kreta ein natürliches, so müßte es in den Gebirgen über der Zone der Hartlaubwälder liegen und sich in Abwesenheit der Tannen, Schwarzföhren und Zedern bis zur Waldgrenze hinauf erstrecken. Es liegt aber im Bereich der menschlichen Siedlungen. Die höchsten gesicherten Vorkommen der Flaumeiche liegen bei rund 600 m. Quercus pubescens selbst geht zwar beträchtlich über den engeren Bereich der Kulturen hinaus, hält sich aber stets in der Nähe der Dörfer (GREUTER 1975).
GREUTER vertritt die Meinung, daß die Flaumeiche im Hinblick auf die Eichelmast von den Minoern in Kreta eingeführt wurde und sich seither in halbwildem Zustande hat halten können.
Nach GREUTER (1975) fehlt auf Kreta auch die Tannen-Schwarzföhrenwaldstufe und ist auch nicht durch eine ihr gleichwertige parallel ausgebildete Formation vertreten. Alle drei Kennarten des kretischen Bergwaldes gehören der Hartlaubstufe an.

Oromediterrane Stufe (montan)

In der semihumid-humiden Höhenstufenfolge liegt über der sommergrünen Laubwaldstufe - im Kondensationsniveau - die montane oder Buchen-Tannen-Stufe (Fagetum), deren wichtigste Vertreter Rotbuche (Fagus sylvatica) und Weißtanne (Abies alba) sind. Diese Stufe ist durch häufige Nebelbildung gekennzeichnet. Auch auf Kreta ist Wolkenbildung, vor allem im Hochgebirge, selbst im Sommer nicht selten (GREUTER 1975). In den steigenden Luftmassen kondensiert sich die Feuchtigkeit, die Nebel werden an der Luvseite der Gipfel emporgetrieben, um sich jenseits der Kuppen und Kämme wieder aufzulösen. Selbst die verhältnismäßig trockene Etesienluft enthält oft genügend Feuchtigkeit, um zu solcher Kondensation Anlaß zu geben. So sind es vor allem die Nordseiten der Gipfel, welche auch in der Trockenzeit von Nebel befeuchtet werden. Dies zeigt sich an einem dichten Flechtenbewuchs der Bäume und Sträuche und dichten Moosteppichen auf dem Boden. (GREUTER 1975, S.158) Die Feuchtigkeitsmenge reicht allerdings nicht aus, um die Wälder in ihrer Zusammensetzung deutlich umzugestalten.

Alpine Stufe

Oberhalb der Waldgrenze haben sich Dorn- und Igelpolsterformationen ausgebildet. Der polsterförmige Wuchs kann als Anpassung an die extremen Lebensbedingungen in dieser Stufe gedeutet werden. In den Polstern herrschen wesentlich ausgeglichenere mikroklimatische Verhältnisse vor als in der Umgebung. Der Vorteil der Polsterform besteht vor allem in der Windabschwächung. Hierdurch wird eine Feuchtluftwolke im Inneren der Polster festgehalten, deren Einwirkung auch im Bereich der assimilierenden Blattschicht festzustellen ist. Durch das so verringerte Dampfdruckgefälle zwischen Mesophyll und umliegender Luft wird der Wasserverlust bei der Transpiration verringert. (HAGER 1985)
Nach ZAFFRAN (1972) lassen sich bei den alpinen Zwergstauchheiden und Matten nicht weniger als 13 Assoziationen unterscheiden, die drei Verbände bilden: das "Astragaleto-Anthemion" des Dikti und Psiloritis, das "Crepideto-Corodothymion" und das "Euphorbieto-Verbascion" der Weißen Berge. (GREUTER 1975, S.182)
Die genannten Pflanzengesellschaften sind, wie die Mehrzahl ihrer Charakterarten, auf Kreta endemisch (GREUTER 1975).
Auf Felsstandorten bilden sich sehr schüttere Vegetationstypen aus. Zu ihren Leitarten gehören die endemischen Sippen Asperula idaea Halacsy, Phagnalon pumilum (Sm.), Campanula aizoides (Zaffran) und Diosphera jacquinii (Sieber). (GREUTER 1975, S. 183)

Degradationsstadien der Wälder auf Kreta

Früher war die Insel größtenteils waldbedeckt. Heute ist sie über weite Flächen kahl. Ursache ist die rigorose Abholzung durch den Menschen, der Kulturflächen anlegt, Weideflächen für das Vieh schafft und Brennholz gewinnt. Die ursprünglichen immergrünen Wälder degradierten zur Macchie oder Phrygana.

Macchie

Die Macchie ist ein immergrüner Buschwald win 2 –5 m Höhe. Sie ist meist durch menschliche Eingriffe entstanden und wird dadurch erhalten (Brände, Beweidung). Werden sie sich selbst überlassen, so können sie sich wieder "zu einem Hartlaubwald, der zonalen natürlichen Vegetationsform regenerieren." (ROTHER 1984 ,S.80)
Jedoch sind nicht alle Macchien degenerierte Wälder. In Kreta ist die eigentliche Macchie auf die Schiefergebiete beschränkt. Sie besteht in erster Linie aus Arbutus unedo und Erica arborea. Hinzu treten Dornsträucher wie Calicotome villosa und Schlinggewächse wie Smilax- und Tamus-Arten. (GREUTER 1975)
Außerhalb der Schiefergebiete ergeben sich als unmittelbarstes Degradationsprodukt der Wälder niedrige Gebüsche, die vorwiegend aus Verbißformen normal baumförmiger Arten bestehen. Dominierend ist in der Regel Quercus coccifera, die auch bei starkem Verbiß noch genügend fruchten kann. Vom Verbiß häufig betroffen sind auch Olea europaea, Phillyrea latifolia, Pyrus spinosa und Amygdalus webbii. (GREUTER 1975, S.178)

Phrygana

Sie ist vorwiegend aus Kleinsträuchern zusammengesetzt und kommt auf flachgründigen, trockenen Böden unter stärkerer Beweidung vor. Ihre Höhenausdehnung reicht von der Hartlaubstufe bis in den Bereich des subalpinen Waldes.
Phrygana und ihr verwandte Zwergstrauchbestände sind die floristisch abwechslungsreichsten Formationen Kretas. Die typischsten Vertreter der Phrygana sind auf Kreta Coridothymus und Sarcopoterium, die sparrige halbkugelige Büsche bilden. Sie beherbergen eine reiche Begleitflore von Geophyten, Annuellen, Disteln und horstigen Gräsern. (GREUTER 1975, S.178)

Schlußwort

Nach einer allgemeinen Einführung der Höhenstufen der Vegetation werden die einzelnen Stufen unter besonderer Berücksichtigung Kretas behandelt. Dabei konnten nur wenige charakteristische Vertreter genannt werden. Wer sich detaillierter mit der Vegetation Kretas auseinandersetzen möchte sie auf die Abhandlung "Die Insel Kreta - eine geobotanische Skizze" von Werner Greuter verwiesen.

Literatur

Von den Veröffentlichungen des geobotanischen Instituts der ETH, Stiftung Rübel, Heft 55, Zürich, wurden folgenden Beiträge verwendet:

Dafis, S. (1975): Vegetationsgliederung Griechenlands, S.23-25.

Greuter, W. (1975): Die Insel Kreta - eine geobotanische Skizze. S. 141-197.

Walter, H. (1975): Betrachtungen zur Höhenstufenfolge im Mediterrangebiet (insbesondere in Griechenland) in Verbindung mit dem Wettbewerbsfaktor. S. 72-83.

Weitere Literatur:

Reisigl, H. u, Danesch, E. (1980): Mittelmeerflora. 2. Aufl., Bern/Stuttgart.

Rother, K. (1984): Die mediterranen Subtropen.- In: Mittlere Breiten (=Geographisches Seminar Zonal). Braunschweig.

Schubert, R. / Wagner, G. (1988): Botanisches Wörterbuch. UTB 1476, 9. Aufl. Stuttgart.



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Oktober 2002
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