Robert M. Pirsig: Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten (1974/2001)

Der Buddha, die Gottheit, wohnt in den Schaltungen eines Digitalrechners oder den Zahnrädern eines Motorradgetriebes genauso bequem wie auf einem Berggipfel oder im Kelch einer Blüte. Wer das nicht wahrhaben will, erniedrigt den Buddha - und damit sich selbst.
S. 26

Daß man mit Liebe zur Sache an seine Arbeit herangeht wird entweder für nebensächlich gehalten oder als selbstverständlich vorausgesetzt.
Ich denke, wir sollten das auf dieser Fahrt beachten, es ein wenig erforschen, um zu sehen, ob wir in dieser sonderbaren Trennung dessen, was der Mensch ist, von dem, was der Mensch tut, nicht den einen oder anderen Hinweis darauf finden, was zum Teufel in diesem zwanzigsten Jahrhundert schiefgelaufen ist.
S. 36

Das ist unpraktisch, aber bei Handschuhen wie bei allem anderen kommt es nicht nur auf praktische Überlegungen an.
S. 51

Die Welt, wie man sie vor Augen hat, genau hier und jetzt, ist Realität, ganz gleich, was die Wissenschaftler dazu sagen. So sieht es John. Aber die Welt, wie sie sich in ihren wissenschaftlichen Entdeckungen offenbart, ist ebenfalls Realität, ganz gleich, wie sie nach außen hin erscheint, und die Leute mit Johns Anschauung werden schon ein bißchen mehr tun müssen, als diese andere Welt einfach zu ignorieren, wenn sie bei ihrer Realitätsauffassung bleiben wollen. John wird das spätestens merken, wenn ihm seiner Unterbrecherkontakte verschmoren.
S. 63

Aus dieser Vielfalt von Dingen von deren Existenz wir wissen, müssen wir eine Auswahl treffen, und was wir auswählen und Bewußtsein nennen, ist nie dasselbe wie die Dinge selbst, denn durch das Auswählen werden sie verändert. Wir nehmen eine Handvoll Sand aus der endlos weiten Landschaft, die uns umgibt, und nennen diese Handvoll Sand "Welt".
S. 86

Das ist der Geist der normalen alltäglichen Anschauungen, der erklärt, daß der letzte Zweck des Lebens, der darin besteht, am Leben zu bleiben, zwar unmöglich zu erreichen ist, daß er aber dennoch der letzte Sinn des Lebens sei, weshalb denn große Geister sich bemühen, Krankheiten zu heilen, damit Menschen länger leben, aber nur Verrückte nach dem Warum fragen. Man lebt länger, um länger zu leben. Einen anderen Sinn gibt es nicht. Das ist es, was dieser Geist besagt.
S. 89

Der Sammelname für diese vielfältig miteinander verknüpften Strukturen, die Gattung, der die Hierarchie des Enthaltenseins und die Struktur der Kausalität nur als Arten angehören, ist System. Das Motorrad ist ein System. Ein echtes System.
S. 106

Stahl kann jede Form annehmen, die man will, wenn man geschickt genug ist, und jede Form bis auf die, die man will, wenn einem das Geschick fehlt.
S. 107

Ein Experiment ist niemals bloß deshalb ein Fehlschlag, weil es nicht zu vorhergesagten Resultaten führt. Ein Experiment ist erst dann ein Fehlschlag, wenn es nichts über die Richtigkeit der aufgestellten Hypothese aussagt, wenn die Daten, die es erbringt, weder in der einen noch in der anderen Richtung etwas beweisen.
S 115

Was die Lebensdauer einer existierenden wissenschaftlichen Wahrheit verkürzt, ist die Anzahl der Hypothesen, die vorgebracht werden, um an ihre Stelle zu treten; je mehr Hypothesen, um so kürzer die Lebensdauer der Wahrheit.
S. 121

Indem sie neue Fakten, Daten, Theorien und Hypothesen in sprunghaft steigender Zahl hervorbringt, führt die Wissenschaft selbst die Menschheit von einzelnen, absoluten Wahrheiten zu vielfachen, unbestimmten, relativen Wahrheiten.
S. 122

Manchmal ist es ein wenig besser zu reisen als anzukommen.
S. 124

Wenn wir beispielsweise mit den Augen zwinkern, melden uns unsere Sinneseindrücke, daß die Welt verschwunden ist. Doch diese Mitteilung wird ausgesiebt und gelangt erst gar nicht in unser Bewußtsein, weil wir die a priorische Vorstellung haben, daß die Welt Kontinuität besitzt.
S. 139

Wenn man annimmt, daß unsere a priori gegebenen Anschauungen unabhängig davon sind ,was wir sehen, und es sogar färben, so verkehrt man damit die alte aristotelische Vorstellung vom Menschen als passiven Beobachter, einer "leeren Tafel", in ihr Gegenteil. Kant und seine Millionen zählenden Anhänger behaupten, daß diese Umkehrung uns viel besser verstehen läßt, wie die menschliche Erkenntnis beschaffen ist.
S. 143

In allen fernöstlichen Religionen wir der Sanskrit-Formel tat tvam asi, "Du bist das", große Bedeutung beigemessen; sie besagt, daß alles, was man zu sein glaubt, und alles, was man wahrzunehmen glaubt, ungeteilt ist. Sich dieser Ungeteiltheit voll bewußt werden heißt Erleuchtung erlangen.
S. 150

Die wahre Universität ist nichts anderes als die Gesamtheit der sich fortwährend erneuernden menschlichen Vernunft.
S. 157

Die Technik geht davon aus, daß es immer eine einzige richtige Methode gibt, aber das ist nie der Fall. Wenn man aber voraussetzt, daß es diese einzig richtige Methode gibt, dann beginnt und endet die Anleitung natürlich mit dem Grill. Hat man dagegen die Wahl zwischen unendlich vielen möglichen Arten des Zusammenbaus, dann muß man seine eigene Beziehung zu der Maschine einerseits und die zur übrigen Welt andererseits berücksichtigen, weil die Wahl zwischen vielen Möglichkeiten, das, worin die Kunst der Arbeit besteht, von unserem Verstand und unserer Geisteshaltung genauso abhängt wie vom Material der Maschine. Das ist der Grund, warum man den Seelenfrieden braucht.
S. 175

Berge wie diese und Wanderer in den Bergen und Ereignisse, die ihnen dort begegnen, finden sich nicht nur im Zen-Schrifttum, sondern in den Geschichten jeder großen Religion. Der physische Berg als Allegorie für den spirituellen, der zwischen jeder Seele und ihrem Ziel steht, ist ein naheliegendes, einleuchtendes Sinnbild. Wie die in dem Tal hinter uns, haben die meisten Menschen ihr Leben lang die spirituellen Berge vor Augen und setzen doch nie einen Fuß darauf, sondern begnügen sich damit, anderen zuzuhören, die oben gewesen sind, und ersparen sich so die Mühen. Manche gehen in Begleitung erfahrener Führer in die Berge, die den besten und gefahrlosesten Weg kennen, auf dem sie ans Ziel kommen können. Wieder andere, unerfahren und mißtrauisch, versuchen lieber, selbst ihren Weg zu finden. Die meisten von ihnen müssen unterwegs aufgeben, aber es gibt auch welche, die es durch schiere Willenskraft und mit Glück und Gnade doch schaffen. Einmal oben angelangt, erkennen sie deutlicher als jeder der anderen, daß es nicht nur einen oder nur eine begrenzte Anzahl von Wegen gibt. Es gibt so viele Routen, wie es einzelne Seelen gibt.
S. 197

Berge sollte man mit möglichst wenig Anstrengung und ohne Ehrgeiz ersteigen.
S. 215

Innere Betrachtungen anzustellen ist viel interessanter als Fernsehen, und es ist eine Schande, daß nicht mehr Menschen darauf umschalten.
S. 216

Qualität ist ein Merkmal von Gedanke und Ausdruck, das durch einen dem Denken entzogenen Prozeß erkannt wird. Da Definitionen ein Ergebnis streng formaler Denkakte sind, kann man Qualität nicht definieren.
S. 217
[... Aber obgleich man Qualität nicht definieren kann, wissen Sie, was Qualität ist!...]
S. 218

Man hat das Dilemma - griechisch für "zweifache Annahme" - mit dem vorderen Ende eines wütenden, angreifenden Stiers verglichen.
S. 242

Qualität ist der Subjektivität entgegengesetzt.
[...] , daß Qualität nicht einseitig mit dem Subjekt oder dem Objekt in Beziehung gesetzt werden konnte, sondern nur in der gegenseitigen Beziehung zwischen Subjekt und Objekt zu finden war. [...] Qualität ist kein Ding, sie ist ein Ereignis. Sie ist das Ereignis, in dem das Subjekt das Objekt gewahrt.
S. 252

Die Sonne der Qualität, schrieb er, dreht sich nicht um die Subjekte und Objekte unserer Existenz. Sie erhellt sie nicht bloß passiv. Sie ist ihnen in keiner Weise untergeordnet. Sie hat sie erschaffen. Sie sind ihr untergeordnet.
S. 253

Zen ist der Geist des Tales und nicht der Geist des Gipfels. Das einzige Zen, das man auf Berggipfeln findet, ist das Zen, das man selber raufgeschleppt hat. Machen wir, daß wir hier fortkommen.
S. 259

Die Vergangenheit existiert nur in unseren Erinnerungen, die Zukunft nur in unseren Plänen. Die Gegenwart ist unsere einzige Realität. Der Baum, dessen wir uns intellektuell bewußt werden, ist wegen der kleinen Zeitspanne stets in der Vergangenheit und deshalb irreal. jedes verstandesmäßig erfaßte Objekt ist jederzeit in der Vergangenheit und deshalb irreal. Realität ist stets nur der Augenblick des Sehens, bevor die gedankliche Verarbeitung einsetzt. Eine andere Realität gibt es nicht.
Diese präintellektuelle Realität glaubte Phaidros als Qualität identifiziert zu haben. Da alle intellektuell identifizierbaren Dinge aus dieser präintellektuellen Realität hervorgehen müssen, ist Qualität der Urheber, der Ursprung aller Subjekte und Objekte.
S. 260

Qualität ist der ständige, aus unserer Umgebung auf uns einwirkende Reiz, die Welt zu erschaffen, in der wir leben.
S. 265

Wert, die Leitkante der Realität, ist dann kein unbedeutender Ableger der Struktur mehr. Wert ist der Vorläufer der Struktur. Er ist das präintellektuelle Bewußtsein, das Struktur entstehen läßt. Unsere strukturierte Realität ist das Ergebnis einer wertenden Vorauswahl, und um strukturierte Realität wirklich zu verstehen, müssen wir die Wertquelle kennen, der sie entsprungen ist.
S. 299

Die Lösungen sind alle einfach - wenn man sie gefunden hat. Aber sie sind nur dann einfach, wenn man sie schon kennt.
S. 303

Sie [eine Mauer] war schön, weil die Menschen, die an ihr gearbeitet hatten, eine Art hatten, die Dinge zu sehen, die bewirkte, daß sie es unbewußt richtig machten. Sie distanzierten sich nicht in einer solchen Weise von der Arbeit, daß sie sie falsch gemacht hätten.
S. 307

Der Stil ist es, der einem so auf die Nerven geht; technologische Häßlichkeit kaschiert mit romantischer Verlogenheit zur Erzielung von Schönheit und Profit von Leuten, die, obzwar stilbewußt, nicht wissen, wo sie anfangen sollen, weil ihnen nie einer gesagt hat, daß es auf dieser Welt so etwas wie Qualität gibt, und daß sie echt ist, nicht stilisiert. Qualität ist nichts, womit man Subjekte und Objekte behängen kann wie einen Christbaum mit Rauschgold. Echte Qualität muß die Quelle der Subjekte und Objekte sein, der Tannenzapfen, aus dem der Christbaum wachsen muß.
S. 308 f

Wir sind Künstler, die naturwissenschaftlich völlig unbewandert sind, und Wissenschaftler, die künstlerisch völlig unbewandert sind; beiden Gruppen fehlt jeder geistige Ernst, und das Resultat ist nicht nur betrüblich, sondern einfach entsetzlich. Die Vereinigung von Kunst und Technik ist längst überfällig.
S. 310

Wenn Ihnen diese Art von Entmutigung widerfährt, müssen Sie vor allem langsamer treten; langsamer treten müssen Sie sowieso, ob Sie wollen oder nicht, der Unterschied liegt darin, daß sie bewußt langsamer treten, noch einmal durchgehen, was Sie schon für erledigt hielten, um festzustellen, ob die Dinge, die Sie für wichtig hielten, wirklich so wichtig waren, und ... na ja ... einfach die Maschine anstarren. dagegen ist nichts zu sagen. Einfach eine Zeitlang mit der Maschine leben, sie betrachten, wie man eine Angelschnur betrachtet, und Sie können sich darauf verlassen, über kurz oder lang werden Sie so sicher wie das Amen in der Kirsch ein leichte Rucken spüren, eine kleine bescheidene Tatsache, die schüchtern anfragt, ob Sie an ihr interessiert sind. Das ist das Prinzip, das dafür sorgt, daß die Welt nicht stehenbleibt. Man muß sich für sie interessieren.
S. 329

Das Motorrad, an dem man eigentlich arbeitet, ist man selbst. Die Maschine, die scheinbar "da draußen" ist, und die Person, die scheinbar "hier drinnen" ist, sind in Wirklichkeit nicht zwei getrennte Dinge. Miteinander wachsen sie in die Qualität hinein oder entfernen sich von ihr.
S. 344

Qualität ist nicht Methode. Sie ist das Ziel, auf das die Methode gerichtet ist.
S. 358

Wir verurteilen an anderen, dachte er, immer das am entschiedensten, was wir in uns selbst am meisten fürchten.
S. 401



Ich hoffe sehr, daß diese kleine Sammlung an Zitaten dazu führt, daß mehr Menschen dieses Buch lesen. Mich persönlich hat es tief getroffen.

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Juni 2004 update Juli 2004
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